Rundblick

28. April 2021

Die andere Seite der Corona-Krise.

Die Corona-Krise ist wie eine Naturkatastrophe über uns gekommen und bringt manch einen von uns zur Besinnung. Wir merken, in welcher schönen Umgebung wir wohnen und so lange wie wir gesund sind, nehmen wir uns die Zeit, sie bewusst wahrzunehmen.

Die Nahversorgung ist jetzt ein Glücksfall.

Die Natur blüht auf, weniger Straßenverkehr, weniger Fluglärm, bessere Luft und körperliche Ertüchtigung an der frischen Luft sind angesagt. Gaststätten, Eisdielen und Buchhandel bieten Ware draußen an, der Fernseher versorgt uns mit Nachrichten.

Vieles hat sich verändert, Spazierengehen und Radfahren sind angesagt. Die nahe Umgebung bietet viel, dabei ist die historische Vergangenheit mit ihren vielen Fassetten sehr interessant.

Der jahrtausendalte Alsterlauf mit seine Stauschleusen, die alte Kleinbahntrasse durch den Wohldorfer Wald, die geschützten Moorlandschaften und noch verbliebene Strohdachhäuser können viel erzählen.

Hier eine kurze Abhandlung über den sich durch Wiesen und Wälder schlängelnden Alsterfluss.

Entstanden nach der Eiszeit, deren Schmelzwasser sie zur Elbe abführte und die Landschaft prägte, in der unsere ersten sesshaften Einwohner aus Sachsen kommend sich als Jäger und Fischer ernährten und in Holzhütten lebten. Die Wälder lieferten das Holz und das Jagdwild, die Alster die Fische und die Landflächen wurden urbar gemacht.

Es bildeten sich Dörfer und die Stadt Hamburg.

Die Alster wurde als Transportweg zur Stadt genutzt. Stau- und Beckenschleusen wurden gebaut, damit die Holzschuten genügend Wasser unter ihren Flachböden hatten. Holz, Torf, Kalk und hier gebrannte Mauerziegel wurden mit den sogenannten Alsterböcken zur Stadt transportiert. In den Wassermühlen wurde das Korn gemahlen, die Hammer- oder Kupfermühlen kloppten aus Kupferklumpen Platten, Reißmühlen rissen Lumpen wieder zu Wolle, die gesponnen und zu Tuchen gewebt wurde.

Die alten Bauten in Wohldorf sind noch Zeugen davon.

Die Ratsherren von Hamburg sicherten sich das Herrenhaus in Wohldorf als Sommersitz. Sie sahen den großen Nutzen der Oberalster, kauften von Graf Adolf V. den Fluss Oberalster ab. Damit erwarben sie die Rechte des Alsterflusses und waren somit zuständig für den Schiffsbetrieb. Sie investierten viel Geld; eine in Plattdeutsch verfasste Schifffahrtsordnung gab den Schleusenmeistern das Recht Schleusengeld zu kassieren.

Es entstanden Treidelwege an den Ufern, an denen Schuten flussaufwärts gezogen wurden und Gaststätten für die Alsterschiffer, die die Wartezeiten an den Schleusen zur Einkehr nutzten.

Diese entwickelten sich später als Ausflugslokale mit Tanzveranstaltungen.
An der Wohldorfer Schleuse war an den Wochenenden Hochbetrieb, die Gaste kamen mit der Kleinbahn nach Wohldorf. Die Reste des Endbahnhofs dienen heute als Kleinbahnmuseum.
Zu der Zeit wurden am Hotel Alsterau auch Kanus für Lustfahrten vermietet.

Stromabwärts gibt es die Mellingburger Schleuse, die durch ihr Schleusenbecken 20 Schiffe gleichzeitig durchschleusen konnte. Dahinter macht die Alster eine große Schleife und bildet so eine Halbinsel. Diese hatten die Ureinwohner zur Festung ausgebaut. Die offene Seite der Schleife schützten sie durch einen Erdwall. Sie gruben dort einen Stollen mit einem Schutzraum und bauten sich auf diese Weise eine Erdburg – die sagenumwobene Mellenburg.

Hierzu ein alter Vers:
Dunkler Gang mit goldner Wiege,
unfindbare Treppenstiege,
Ritterburg mit hohen Wällen
Widerpart der Raubgesellen.

Der Burgplatz wurde später als Gartenland des Schleusenmeisters genutzt; nur eine Feuerstelle zeugt noch von der Mellenburg. Das Schleusenmeisterhaus wurde mehrmals erweitert und steht noch heute strohgedeckt als Gasthaus da. Die Alsterschiffer haben dort in der Gästekoje ihre übertriebenen Alstergeschichten erzählt, vom Fang von Riesenfischen, von Liebes­abenteuern auf ihren Schuten und von gewonnenen Schutenrennen.

Von der Gästekoje konnte man die romantisch gelegene Schleusenanlage übersehen. Zur Volksbelustigung wurde Meetkost abgehalten. Das Getränk mit Honig gesüßt wurde im Kessel gekocht und für einen Schilling ausgeschenkt. Auf der Diele fanden Tanzbelustigungen statt. Der Tänzer für den ersten Tanz musste sechs Schillinge bezahlen und durfte sich die schönste Jungfrau aussuchen.

Der Schiffsverkehr auf der Oberalster gehört heute der Vergangenheit an, aber die Schleusen sind historische Zeugen und Perlen der Alster. Ihr Zustand ist schlecht. Die Heimat- und Naturschutzverbände mahnen die Stadt Hamburg sie zu sanieren, um sie der Nachwelt zu erhalten. Die zuständige Wasserbehörde hat Sanierungsarbeiten in der nächsten Zeit versprochen und vorgesehen.

Die Umweltverbände sind dabei, die Alster wieder artengerecht und vielfältig zu gestalten und bieten Informationswanderungen an.

Wir finden hoffentlich die Zeit, unsere schöne Umgebung zu genießen und uns dort in der Corona-Krise zu erholen.
Es gab schon viele Krisen, den 30-jährigen Krieg, Pest und Cholera, zwei Weltkriege, die viel Leid mit sich brachten. Sie wurden überwunden, brachten aber Veränderungen mit sich. Die Natur ist stark, aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel.
Auch wir müssen uns jetzt auf einschneidende Veränderungen einstellen und naturschonend leben.

Hinni Jürjens