Kultur & Unterhaltung

4. Mai 2023

Die Glasperlen

Interview mit Jörg Hesse

Duvenstedter Kreisel: Als Komponist und Produzent der CD „Glasperlen“ haben Sie als Quereinsteiger etwas völlig Neues begonnen. Wie kam es dazu?

Jörg Hesse: Ich habe schon als Student in einer Amateurband als Gitarrist und Keyboarder Musik gemacht – so ganz abwegig war der Gedanke also nicht. Als meine Tochter in ihrem Wunschstudium zunächst keinen Studienplatz bekam, schlug ich vor, ihr Gitarrenspiel weiter auszubauen und als „Highlight“ in einem Studio ein paar Songs, die schon lange in der Schublade lagen, aufzunehmen.

Kreisel: Auf der CD „Glasperlen“ finden sich zwölf Songs. Sind alle in dieser Zeit entstanden?

Hesse: Als wir den dritten Song fertig eingespielt hatten – ich hatte inzwischen angefangen, neue Songs zu komponieren und zu texten – bekam meine Tochter einen Studienplatz in Heidelberg. Insofern war die ursprüngliche Mission eigentlich erfüllt. Inzwischen hatte ich aber selbst soviel Spaß an diesem Projekt, dass ich beschloss weiterzumachen.

Kreisel: Wie kann das über die Entfernung funktionieren?

Hesse: Das funktionierte gut. Wir hatten alle Instrumente im Studio ohne meine Tochter eingespielt. Per E-Mail bekam sie die „Karaoke-Version“ zusammen mit dem Text und beim nächsten Hamburg-Besuch sang sie im Playback-Verfahren den Gesangspart ein.

Kreisel: Viele Songs auf der CD greifen Themen auf, die in deutschen Schlagern oder in der deutschen Liedermacher-Szene kaum zu finden sind. 

Hesse: Musikalisch kann man schon einen eigenen Stil erkennen. Textlich war es nicht mein Ziel, die tausenderste Textvariante einer Herzschmerzgeschichte aufzukochen, und auch nicht die Thematik von Protestsongs zu verfolgen, die schon in diversen Abwandlungen wiedergekäut worden ist. 

Insofern sind die Songs auf der CD relativ vielseitig und auch stilistisch ziemlich speziell. Gottseidank gibt es in der deutschen Musikszene inzwischen viele tolle Gruppen, die genauso denken. 

Kreisel: Ein Song beschäftigt sich mit dem Thema Leiharbeit. Warum?

Hesse: Weil bisher noch keiner darauf gekommen ist. Es war der fünfte Song, den wir eingespielt hatten, und der von unserem Tonmeister erst einmal verdaut werden musste. Der Song schildert die Situation einer jungen Frau, die als Vorbereitung auf ihr Jobleben alle Ratschäge befolgt hatte, um ihre Chancen für einen guten Berufsstart zu erhöhen. Doch als sie ihr Diplom hatte, musste sie frustriert feststellen, dass außer Leiharbeitsverhältnissen überhaupt keine Angebote auf dem Markt waren. „Wie kann man denn bloß auf so einen Songtext kommen?“, fragte unser Tonmeister irritiert in die Runde und es war erkennbar, dass seiner Meinung nach die hübsche Melodie durch den Text verunziert wurde. Zunächst herschte Stille. Dann kam mir der Web-Designer des Studios zuvor: „Ganz einfach, Jürgen, weil es die Wahrheit ist!“

Kreisel: Es ist also Ihr Ziel, politische Botschaften zu vermitteln?

Hesse: Ich würde sagen, eher gesellschaftspolitisch und auch nur als Beimischung. Aber die Songs sollen schon „Aufwecker“ sein. Deswegen steht der Text eindeutig im Vordergrund. Die Band „Berge“ hat ein sehr ergreifendes Lied über das Tierleid in der Massentierhaltung geschrieben. Warum dann nicht auch Themen wie Leiharbeit, Klimakrise und das goldene Kalb „Wirtschaftswachstum“ bearbeiten? Ich finde, gerade das Medium Musik eignet sich hervorragend, um ein breites Publikum zum Nachdenken anzuregen und Emotionen zu wecken. Wichtig ist natürlich, dass man authentisch bleibt. Und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um Lebenserfahrungen, gesellschaftspolitische Themen oder Paarbeziehungen handelt.

Kreisel: Bisher sind Sie eine reine Studioband. Was planen Sie für die nahe Zukunft?

Hesse: Wir haben festgestellt, dass man mit ein paar You­Tube-Videos mit dem Namen „Eiris Glasperlen“ und dem Pressen einer CD nicht weiterkommt. Wir mussten erst einmal lernen, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, dass gute Songs schnell von der Community entdeckt werden, um sich dann im Netz viral auszubreiten. Auch Bewerbungen bei Radiosendern, unsere Stücke dort einmal zu spielen, waren bisher wenig erfolgreich – trotz positiver Rückmeldungen einiger Moderatoren. Als Quereinsteiger verfügt man eben nicht über das Marketing und den Apparat einer großen Plattenfirma. Insofern geht der Weg wahrscheinlich nur über Auftritte.

Kreisel: Und diesen Weg wollen Sie jetzt versuchen? 

Hesse: Es ist nicht ganz einfach für eine Studioband, sich auf die Bühne vorzubereiten. Durch ein Zeitungsinserat sind wir aber auf eine Sängerin aus Hamburg gestoßen, die von unserer Musik und den Texten begeistert ist. Das ist schon mal ein vielversprechender Anfang. Wir können allerdings auch noch einen Pianist/in gebrauchen. Aber das Ergebnis unserer  Übungsabende lässt jetzt schon hoffen, dass der Übergang gelingt. Ich hoffe, dass unser Gastspiel im Max- Kramp-Haus zeigen wird, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

 

die Redaktion

Konzert am Sonntag, 7. Mai, im Max-Kramp-Haus. 
Konzertbeginn 20.00 Uhr, Einlass ab 19.00 Uhr.
Karten gibt es für € 15,- an der Abendkasse.