Kultur & Unterhaltung

27. April 2020

Schnell wie der Blitz – Wetterphänomene

… UND JETZT DAS WETTER – SILKE HANSEN

Gewitter nennt man auch die „Vagabunden des Wetters“, denn sie lassen sich selbst mit neuester Computertechnik nicht genau vorhersagen. Auch wie sie genau entstehen, ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Was vermutlich auch daran liegt, dass Gewitter gefährlich sind und man ihnen deshalb nicht so einfach nahekommen kann. Durchschnittlich werden in Deutschland ungefähr 130 Menschen pro Jahr vom Blitz getroffen, etwa drei bis vier Menschen pro Jahr sterben an den Folgen.

Die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz getroffen zu werden, liegt etwa bei 1:640.000. Die Wahrscheinlichkeit im Lotto sechs Richtige zu haben bei 1:16 Millionen. Damit ist es also tatsächlich deutlich wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, als sechs Richtige im Lotto zu haben. Den Rekord in „vom Blitz getroffen zu werden“ hält laut Guinness-Buch der Rekorde der amerikanische Forstbeamte Roy Cleveland Sullivan (1912-1983). Er wurde im Laufe seines Lebens sieben Mal vom Blitz getroffen und überlebte jeden der Blitzschläge.

Blitze entstehen – soweit sind sich die Experten einig –, wenn feuchtwarme Luft schnell aufsteigt und sich dabei abkühlt (zum Beispiel an einem heißen, schwülen Sommertag) oder wenn feuchtwarme auf kalte Luft trifft. Dabei bilden sich in der Wolke Wassertropfen, Hagelkörner und kleine Eisteilchen, die innerhalb der Gewitterwolke immer wieder auf- und absteigen und dabei aneinanderstoßen. Bei diesem Aufeinandertreffen gehen Elek­tronen von den Eiskristallen auf die Hagelkörner über, und es stellt sich im oberen Teil der Wolke (die hierzulande bis auf zehn Kilometer Höhe reichen kann) ein positiver und im unteren Teil ein negativer Ladungsüberschuss ein.

Durch eine elektrische Fernwirkung, die sogenannte „Influenz“, sammelt sich nun positive Ladung am Erdboden. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen dem unteren Teil der Wolke und dem Erdboden. Ist dieses zu groß, wird die Luft in einem ersten Schritt durch sogenannte „Runaway-Elektronen“ ionisiert und dadurch in einer Art Blitzkanal leitfähig gemacht. Durch diesen Blitzkanal findet danach die Hauptentladung statt.

FULGURIT
Wie breit ein Blitz tatsächlich ist, wenn er im Boden einschlägt, lässt sich aus der Ferne schwer einschätzen. Genau sagen kann man es allerdings, wenn ein Blitz in Sandboden einschlägt. Dann nämlich sorgt seine Temperatur von bis zu 30.000 °C dafür, dass der Quarz entlang der Einschlagbahn schmilzt und kurz darauf zu Glas erstarrt. So verglasen die Wände der Einschlagsbahn, und es bildet sich eine Röhre. Solche Blitzröhren heißen „Fulgurit“, sind oft mehrere Meter lang und verzweigen sich am Ende. Eine der weltweit größten Blitzröhren befindet sich im Naturkundehaus des Lippischen Landesmuseums in Detmold und ist 5,40 m lang. Das Wort „Fulgurit“ kommt vom lateinischen Wort „fulgur“ für Blitz. Fulgurite findet man besonders häufig in den Wüsten im Norden Afrikas.

Hierbei werden Stromstärken von 20.000 bis 60.000 Ampere erreicht. Die Ladung eines Blitzes verteilt sich am Erdboden kegelartig. Bei starken Gewittern wurden bereits elektrische Feldstärken von über 200.000 Volt pro Meter gemessen und Temperaturen von bis zu 30.000 °C. Und das alles, obwohl ein Blitz gerade einmal einen Durchmesser von einem bis drei Zentimetern hat.
Durch die hohen Temperaturen erhitzt sich die Luft in der Nähe des Blitzes geradezu explosionsartig. Eine Druckwelle entsteht – das ist der Donner, den man hört.

GEWITTER-ASTHMA

Ein kräftiger Regen reinigt die Luft. Das gilt auch für die Pollen von Bäumen und Gräsern, die vom Regen aus der Luft „gewaschen“ werden. Der Effekt setzt aber erst nach rund einer halben Stunde ein. In den ersten Minuten ist die Konzentration der Pollen in der Luft deutlich erhöht – vor allem bei Gewittern. Dann nämlich werden die Pollen durch die starken Aufwinde geradezu angesaugt, in höhere Luftschichten transportiert, dort von der Feuchtigkeit in der Wolke gespalten und anschließend in Fragmenten durch den Regen wieder zur Erde zurück transportiert. So steigt nicht nur kurzfristig die Konzentration der Pollen in der Luft, sondern sie haben auch eine andere Struktur. Beides kann bei Allergikern zu asthmatischen Anfällen führen, weswegen das Krankheitsbild „Gewitterasthma“ genannt wird.

Richtig starke Gewitter gibt es vor allem im Sommer. 90 Prozent der Gewitter finden in Deutschland zwischen Juni und August statt. Denn die Sonne ist der Motor der Gewitter, und die steht im Sommer naturgemäß am höchsten über der Erde und scheint daher besonders stark. Landesweit werden in den Sommermonaten insgesamt durchschnittlich zwischen 700.000 und einer Million Blitze pro Monat gezählt. Über das ganze Jahr gesehen, sind es etwa zwei bis drei Millionen Blitze.

Die Möglichkeit, dass ein Blitz sprichwörtlich „aus heiterem Himmel einschlägt“, gibt es tatsächlich. Zwischen einer Wolke, aus der ein Blitz kommt, und dem Ort, an dem er einschlägt, können durchaus schon mal 20 Kilometer liegen. Gewitter sind eine sehr kleinräumlich begrenzte Erscheinung. An einem Ort gibt es heftige Gewitter und kräftige Regenfälle, ein paar Kilometer weiter scheint die Sonne. Der Blitz kann aber auch im sonnigen Teil einschlagen. Denn Blitze schlagen nicht immer direkt unter der Wolke ein, sondern suchen sich den für sie einfachsten Weg und der kann durchaus auch schräg sein.

Das sicherste bei Gewittern ist es auf jeden Fall, in ein gemauertes Haus zu gehen. Eine Holzhütte bietet hier keinen Schutz. Ein Auto geht aber auch – das ist der berühmte faradaysche Käfig. In diesem ist man sicher, wenn man nicht gerade bei offenem Fenster die Hand hinausstreckt.

Wenn kein Haus in der Nähe ist und auch kein Auto, sollte man dafür sorgen, dass man selbst nicht der höchste Punkt ist und möglichst wenig Bodenkontakt hat. Also beispielsweise eine Senke suchen, sich dort aber nicht hinlegen, sondern hinhocken und mit den Armen die Knie umfassen. Die Füße sollten dabei nicht direkt nebeneinander stehen, aber auch nicht zu weit auseinander. Denn auch der Strom, der sich bei einem Blitzeinschlag im Erdboden verteilt, kann gefährlich werden. Stehen die Füße zu weit auseinander, entsteht die sogenannte „Schrittspannung“. Je größer der Abstand zwischen den Füßen, desto größer die Schrittspannung, desto gefährlicher ist es. Die weit auseinanderstehenden Hufe wurden schon einigen Weidetieren zum Verhängnis.

Von Hauswänden und Bäumen sollte man auf jeden Fall Abstand halten. Die sind nämlich mitunter der höchste Punkt und wenn dort der Blitz einschlägt, trifft er einen eben auch, wenn man darunter steht. Dabei ist es übrigens entgegen weit verbreitetem Irrglauben völlig egal, um welche Sorte Baum es sich handelt. Das Sprichwort „Buchen sollst Du suchen, Eichen sollst Du weichen!“ ist deshalb völliger Blödsinn – unter einer Buche kann man ebenso vom Blitz erschlagen werden wie unter jedem anderen Baum. Die Redensart ist höchstwahrscheinlich dadurch entstanden, dass man den Blitzschaden an einer Buche weniger sieht. Wenn ein Blitz in die dicke, vermooste Borke einer Eiche einschlägt, sieht man das deutlich. Die Rinde der Buche ist dagegen glatt und leitet den Blitz direkt in den Boden, ohne dass ein sichtbarer Schaden entsteht. Deswegen dachte man wohl, dass man unter Buchen vor Blitzen geschützt ist.

Silke Hansen

 

 

 

 

 

 

 

Silke Hansen „… und jetzt das Wetter“
Die beliebteste Minute der Tagesschau 160 Seiten,
166 farbige Fotos und Abbildungen,
Format 17 x 24,5 cm, Flexcover
€ (D) 19,90 / € (A) 20,50 • (ISBN 978-3-667-11829-5)
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