Rundblick


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20. September 2021

Gemeinsames Handwerk heilt

In der Naher Wollwerkstatt entstehen Teppiche und mehr

Wenn Nikki am wuchtigen Webstuhl sitzt, ist sie glücklich. „Die Arbeit macht den Kopf frei und alle meine Probleme sind weg“, sagt die zierliche Frau und ihre Augen leuchten durch die Brillengläser. In einer unscheinbaren, alten Scheune in Nahe entstehen strapazierfähige Teppiche, farbenfrohe Läufer, Vorleger und trendige Taschen – alles in zeitaufwändiger Handarbeit hergestellt von Menschen mit Behinderung.

„Wohngruppe Miteinander“ heißt die Wohn- und Lebensgemeinschaft, die seit 1995 auf einem Bauernhof in der Dorfstraße 26 beheimatet ist. Tätigkeitsschwerpunkt ist eine 1,2 Hektar große Fläche, auf der die zehn Bewohner 13 Sorten Tomaten, Salate, Spinat und Kräuter anbauen – alles in Bioland-Qualität. „Wir waren von Beginn an dabei und wurden als dritter Betrieb in Schleswig-Holstein zertifiziert“, berichtet Geschäftsführerin Corina Dierfeld mit Stolz. Im Hofladen werden neben hauseigenen Produkten weiteres Gemüse, Obst, Saucen, Brot und Gewürze verkauft. Zudem verlassen jeden Dienstag 50 Abo-Kisten den Hof in alle Himmelsrichtungen.

Werden die Tage kürzer, die Temperaturen sinken und die Arbeit im Garten ist weniger intensiv, geht es für die Bewohner in der Wollwerkstatt weiter. „Von Bauern aus Wakendorf und Tönningstedt bekommen wir Rohwolle in Big Bags geliefert, die in vielen Arbeitsschritten zu hochwertigen Unikaten verarbeitet wird“, erklärt Corina Dierfeld. Dabei werden Fähigkeiten und Möglichkeiten der einzelnen Bewohner berücksichtigt. „Jeder wird gebraucht und trägt in der Produktion seinen wichtigen Part bei. Allein schafft man manches nicht, aber gemeinsam vieles, ist unser Motto“, so Dierfeld.

Der 55-jährige Olaf etwa ist Profi, wenn es um das Zupfen der gewaschenen Rohwolle geht, damit sie im nächsten Arbeitsschritt kardiert werden kann. Akribisch und mit Sorgfalt zieht er Faser um Faser auseinander – unglaublich zeitaufwändig und mühselig. „Ich mag das Gefühl der weichen Wolle an den Fingern. Außerdem verfliegt mit der richtigen Musik die Zeit im Nu – das ist beim Küchen- oder Hausputzdienst ganz anders, die mag ich nicht so besonders.“

Bevor Nikki am Webstuhl loslegen kann, muss das durchs Kämmen entstandene Vlies gesponnen, gewickelt und gefärbt werden. Gerade für das Spinnen ist innere Ruhe gefragt. „Ich selber bekomme nur gedrehte Telefonschnüre hin, mit denen wir nichts anfangen können“, sagt Iris Gossow, Leiterin der Wollwerkstatt, und lacht.

Vor der Pandemie wurden die dekorativen Wollteppiche ebenso wie bunte Flickenteppiche, Topflappen, Portemonnaies und lustige Tiere aus Filz auf dem jährlichen Hoffest sowie auf Adventsmärkten verkauft. „Inzwischen kümmern wir uns hauptsächlich um Auftragsarbeiten, für die wir sehr dankbar sind, denn mit bekannten Möbelgiganten können wir preislich nicht konkurrieren. Doch unseren Kunden ist der soziale Aspekt wichtig und durch ihre Bestellungen und Einkäufe unterstützen sie unsere Arbeit“, erklärt Corina Dierfeld.

Und obwohl sich Nikki ungern von einem fertigen Stück trennt, ist sie stolz, dass ihre und die Tätigkeiten ihrer Mitbewohner wertgeschätzt werden. „Ich habe den schönsten Arbeitsplatz auf dem Hof“, sagt sie mit Nachdruck.

Keine Frage, die gute Atmosphäre, eine sinnvolle Arbeit und der Umgang mit schönen Materialien, die zu großartigen Produkten werden, machen glücklich und zufrieden. Und: Gemeinschaft heilt.

Claudia Blume

 

Olaf bereitet die Rohwolle vor, damit Corina Dierfeld sie später auf dem Spinnrad weiterverarbeiten kann.

 

 

Beim Kardieren wird die gezupfte Wolle zu einem Vlies gekämmt, das anschließend gesponnen wird.