Rundblick

22. Juni 2020

Bauherren in der Corona-Krise

Das Errichten eines Eigenheims ist für viele Bauherren ein nervlicher Kraftaufwand. In der Corona-Krise werden Bauvorhaben erst recht zur Herausforderung. Wie sich die Krise mittel- und langfristig auswirkt, bleibt momentan rein spekulativ. Aktuell gehört die Bauwirtschaft zu den wenigen Branchen, die derzeit noch unbeeindruckt von der Corona-Krise weiterarbeiten können. Von den Folgeerscheinungen bleiben die Baustellen aber dennoch nicht verschont. Im Zuge der Corona-Pandemie kommt es vermehrt zu materiellen und personellen Engpässen. Private Bauherren müssen sich deshalb auf eine Bauzeitverzögerung einstellen. Aktuell laufen die meisten Bauvorhaben weiter, doch die Situation ändert sich täglich.

„Montagearbeiter aus dem europäischen Ausland fallen aufgrund der aktuellen Einreisebestimmungen zunehmend aus“, sagt Florian Becker, Geschäftsführer des Bauherren-Schutzbund e.V. (BSB). Auch bei Produzenten von Baumaterialien macht sich die Krise bemerkbar. „Es kommt zu Lieferengpässen durch unterbrochene Lieferketten, fehlende Zulieferteile und personelle Ausfälle im Anlieferungsverkehr.“ Auf den Baustellen drohen Terminverzögerungen. Beim typischen Einfamilienhaus bauen viele Gewerke aufeinander auf. Kommt es beispielsweise zu Terminverzögerungen bei Rohbauarbeiten, kann der Elektriker nicht beginnen. „Die Probleme potenzieren sich“, so Becker. Bauherren sollten die nötige Ruhe bewahren und eine gemeinsame Lösungsstrategie mit dem Baupartner suchen. Diese ist vom jeweiligen Bautenstand abhängig: Steht die Fertigstellung kurz bevor, können bei Lieferengpässen alternative Produkte gewählt werden. Zum Beispiel kann Lagerware statt Designer-Fliesen verwendet werden. Ein Sachverständiger kann bei der Abwägung eventueller Qualitätseinbußen beraten. Die Leistungsänderung sollte aber unbedingt schriftlich und zusammen mit einer entsprechenden Gutschrift vereinbart werden. Ist das Bauvorhaben erst kürzlich begonnen worden, sind die Abhängigkeiten und Verzögerungen so vielfältig, dass eine Verschiebung des Umzugstermins geplant werden muss. Verbraucher sollten ihre Mietverträge entsprechend weiterlaufen lassen oder sich rechtzeitig um eine Verlängerung bemühen. Dennoch empfiehlt Becker, die Begründung für eine Verzögerung gründlich zu prüfen. Sollte ein plausibler Grund vorliegen, müssen Bauherren die Situation akzeptieren. Wenn der Unternehmer allerdings auf Fragen ausweichend reagiert oder nur mit einem Zweizeiler allgemein informiert, kann der Bauherr die Firma schriftlich zur Fortsetzung der Bauarbeiten auffordern. Mit der Vereinbarung einer Fristsetzung zur Fertigstellung sichert sich der Bauherr seine Rechte nach der Corona-Krise. „Dann kann er immer noch entscheiden, ob er tatsächlich Verzugsschäden geltend machen kann und will. Möchte der Unternehmer dann geltend machen, dass er die Verspätung – etwa wegen Corona – nicht verschuldet hat, muss er dies beweisen“, betont Erik Stange, Pressesprecher des Bauherren-Schutzbund e.V.

Verfrühte Zahlungsforderungen – was jetzt?
Bauherren dürfen gleichfalls nicht überzahlen. In der aktuellen Situation ist es nicht auszuschließen, dass existenzbedrohte Firmen verfrüht mit Zahlungsforderungen an die Bauherren herantreten. Deshalb gilt mehr denn je: Bauherren sollten bei ihrem Zahlungsplan den Baufortschritt im Blick behalten. Ratenzahlungen dürfen immer erst nach erbrachter Leistung fällig werden. Ihre Höhe muss laut Gesetz dem Wert der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen auf der Baustelle entsprechen. Becker verweist auf die Risiken einer Überzahlung: „Zahlen Bauherren mehr als die erbrachte Bauleistung, haben sie bei auftretenden Mängeln kein Druckmittel zur Beseitigung zur Verfügung. Im Falle einer möglichen Insolvenz wäre das zu viel bezahlte Geld weg.“ Auch wenn das Corona-Virus die Baubranche prägt, von einer außerordentlichen Kündigung der Baufirma ist dringend abzuraten. „Es ist unwahrscheinlich, in der jetzigen Situation kurzfristig ein Unternehmen zu finden, das den Bau fortsetzt“, warnt Stange.

Können sich Firmen immer auf höhere Gewalt berufen? Nein, Bauherren können hierzu aufatmen. Die Corona-Krise ist ein nie dagewesenes Ereignis. Auch bei höchster Sorgfalt und gründlichster Arbeitsvorbereitung waren die Entwicklungen und die einschneidenden Maßnahmen für niemanden vorhersehbar. Das gilt auch für Bauunternehmen und Bauverträge, die vor der Krise geschlossen wurden. Aber seit Mitte März stellt sich die Situation etwas anders dar. Deshalb gilt für Verträge, die ab Mitte März abgeschlossen wurden, dass der Auftragnehmer sich später wohl kaum auf höhere Gewalt berufen kann. „Aktuell ist die Corona-Krise nämlich vorhersehbar. Das Vorliegen höherer Gewalt setzt immer voraus, dass die Umstände nicht absehbar waren. Ein Auftragnehmer, der jetzt einen Ausführungszeitraum in Kenntnis der Situation zusagt, wird sich später nicht auf Corona berufen können“, sagt Erik Stange.

Aufgrund der Corona-Lage haben zahlreiche Bauherren mit finanziellen Engpässen durch Jobverlust oder Kurzarbeit zu kämpfen. Andererseits unterstützen viele Banken die aktuell laufenden Baufinanzierungen ihrer Bankkunden weiter. Eine schematische Herangehensweise gibt es jedoch nicht. Vielmehr hängt eine tatsächliche Unterstützung vom Einzelfall ab. „Bauherren können mit der finanzierenden Bank vereinbaren, eine oder mehrere Raten auszusetzen und an die Laufzeit anzuhängen. Mit der Bank sollten dabei zuvor die neuen Laufzeiten und Voraussetzungen genau besprochen werden“, rät Erik Stange.
Die Auswirkungen der Pandemie macht auch Corona-Schutz zur Bauherrenaufgabe. Die Schutz- und Kontakteinschränkungen gelten für jeden. Deshalb sollten auch Bauherren bei Baustellenbesuchen einen angemessenen Abstand einhalten und Maske tragen.
Technische und rechtliche Beratung beim Hausbau, Wohnungskauf und der Bestandsmodernisierung bieten unabhängige Verbraucherschutzorganisationen wie der Bauherren-Schutzbund e.V.

Anja Junghans-Demtröder