Rundblick

29. September 2023

Kunstbunt statt betongrau

ERSTES GRAFFITI-PROJEKT FÜR JUGENDLICHE IN TANGSTEDT

Mit dem Bau des Verkehrskreisels am Nahversorgungszentrum Tangstedt 2018 wurde eine Lärmschutzwand aufgestellt.
19 Meter lang, gut zwei Meter hoch – praktisch, aber hässlich. Das öde Betongrau reizte immer wieder Sprayer, die Wand illegal mit fragwürdigen Motiven und hingeschmierten Tags zu versehen.
Alle paar Wochen mussten Mitarbeiter des örtlichen Bauhofes anrücken, um die Farbe mühevoll wieder zu entfernen. „Der Gemeinde ist ein beträchtlicher finanzieller Schaden entstanden, wenn man mit rund 500 Euro pro Einsatz rechnet“, erklärt Jürgen Lamp, bis Mai 2023 Bürgermeister der Gemeinde.

Im Rathaus reifte bei einem Team-Meeting im Frühjahr die Idee, dass die Wand etwas „Schickes“ bräuchte. Ein Graffiti-Workshop sollte die Wende bringen. Als Leiterin der Tangstedter  Volkshochschule beantragte Annette Jürgensmeier rund 1500 Euro beim Förderprogramm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“ und stellte mit dem Jugendzentrum und dem Hamburger Gestalter „Dosenfutter Graffiti“ erstmals einen „Talent Campus“ auf die Beine.

Unter Anleitung des Saseler Graffiti-Künstlers Björn Holzweg lernten zehnJugendliche zwischen elf und 17 Jahren über eine Woche kostenlos den kreativen Umgang mit der Spraydose. Zusammen
wurden Motive entwickelt, erst auf Pappe skizziert und anschließend zur Probe auf Folie gesprayt. Nahezu jeder Teilnehmer konnte einen Buchstaben des Tangstedt-Schriftzuges gestalten, von kantig bis geschwungen. Geeinigt wurde sich auf eine gemeinsame Farbgestaltung mit gelben „Bubbles“, einem klassischen Graffiti-Style.

„Die Jugendlichen sind in der Arbeit alsGruppe zusammengewachsen. Alle sind talentiert und haben ein Händchen für das Sprayen entwickelt. Das Schöne am Dosenmalen ist, dass man schnell Fortschritte sieht“, lobt Björn Holzweg. Der 44-Jährige ist international bekannt, hat Kunstwerke in Los Angeles und Athen geschaffen, Hotels, Restaurants sowie die Gebäuderückseite der Endo Klinik auf St. Pauli mit springenden Tigern verschönert. Die Galerie Affenfaust stellt einige seine Werke aus. „Ich freue mich, dass die Gemeinde Jugend und Kunst zusammenbringt und der Graffiti-Kultur Platz bietet.“

„Lustig war, dass wir immer wieder von Passanten gefragt wurden, ob wir die Wand tatsächlich bemalen dürften“, erzählt Merle aus Wilstedt, die sich zum ersten Mal an der Spraydose ausprobierte. „Am schwierigsten war, das Gras möglichst realitätsnah darzustellen“, so die 14-jährige. Sofiia hatte mit dem Storch ein kompliziertes Motiv entworfen. „Vor allem Schnabel und Beine dreidimensional erscheinen zu lassen, war nicht einfach“, sagt die 17-Jährige.

„Das neue Wandbild wird nicht jeder Bürger schön finden, aber das gehört zur Kunst dazu“, meint der stellvertretende Bürgermeister Frank Zscherpe und betont: „Ich persönlich finde es super. Es ist alles drauf, was Tangstedt ausmacht: unser Wappen, ein Pferd, Störche und Felder – und meistens blauer Himmel.“ Der Graffiti-Workshop soll erst ein Anfang sein. „Wir haben noch mehr Flächen in der Gemeinde, die danach schreien, professionell bemalt zu werden.“

Claudia Blume