Kolumne

28. April 2021

Ein Körbchen mit Marmelade

Von Cuxhaven nach Ohlstedt – Umzug in der Krise

Ich schaue in den Garten und bin dankbar. Die Sonne strahlt in die Wohnung, das Eichhörnchen, das fast jeden Morgen vorbeischaut, springt auch an diesem Morgen wieder flink von Baum zu Baum und die Vögel zwitschern. Kein Wunder, denn die Welt wird trotz Lockdown endlich wieder bunt. Außerdem sehe ich nun zum ersten Mal, was uns die Vormieter so Schönes im Garten hinterlassen haben. Hyazinthen, Osterglocken, von der Blutbuche mit ihren herrlich rosafarbenen Blüten ganz zu schweigen.

Im Oktober letzten Jahres sind wir von meiner Heimat Cuxhaven ins schöne Ohlstedt gezogen. Voller Vorfreude. Mitten in der Corona-Krise. Was uns erwartete: Idylle pur. Vom Garten aus hört man Pferde wiehern, der Wald ist nur wenige Meter entfernt. Herrlich, herrlich. Hier kann man sich wohlfühlen.

Ein halbes Jahr nach unserem Umzug denke ich das noch immer. Auch wenn ich bislang gefühlt mehr Eichhörnchen als Menschen kennengelernt habe – Lockdown sei Dank. Die große Einweihungsparty musste schließlich ausfallen, den Nachbarn begegne ich meist nur mit Maske, in der Kneipe um die Ecke herrscht Lockdown-bedingt tote Hose – und all die schönen kleinen Geschäfte, Cafés und Restaurants in Duvenstedt und Umgebung, die ich (und wohl wir alle) nur allzu gern besuchen würde, dürfen auch noch nicht wieder so öffnen, wie sie es gerne wollten. Schade, denn gerade hier spielt doch die Musik. Hier trifft man sich, schnackt, lacht, tauscht sich aus. Oder eben nicht.

Was ja das Spannende an einem Umzug ist: Die Menschen in der neuen Heimat kennenzulernen, zu erfahren, wie der Stadtteil tickt, was die Menschen dort bewegt, welches die schönsten Plätze sind, um ein Käffchen in der Sonne zu schlürfen und wo es die beste Pasta gibt. Tja, um ehrlich zu sein, einen Reiseführer könnte ich wohl noch nicht schreiben. Höchstens über die schönsten Waldwanderwege und die beliebtesten Eisdielen in der Nähe. Die Schlangen bei schönem und erstaunlicherweise auch bei schlechtem Wetter sprechen für sich.

Doch wie ticken die Duvenstedter? Die Walddörfler?

Ganz sicher weiß ich es noch nicht. Ein paar vage Vermutungen habe ich aber. Denn auch wenn ich die meisten Menschen bisher nur flüchtig und mit Maske beim Einkaufen auf dem Markt gesehen habe, ganz oft strahlen die Augen umso mehr. Denn die Menschen, so macht’s zumindest den Eindruck, leben gern hier und sind eine Gemeinschaft. Das fällt mir vor allem dann auf, wenn ich mit dem Fahrrad durch Duvenstedt radele. Über die Straße hinweg grüßen sich die Menschen. Man kennt sich. Und mir geht das Herz auf. Denn wenn ich diese kleinen Momente beobachte, fühlt sich’s ein bisschen so wie in meiner Heimat an. Dort über den Wochenmarkt zu bummeln, ohne mit jemandem zu schnacken? Unmöglich! Aber gerade das macht’s ja charmant. Und genau das sind die kleinen Dinge, die am Ende das Herz eines Stadtteils ausmachen, ihn liebens- und lebenswert machen, oder?

Kleine Geschichten wie diese hier: Am Abend unseres Einzugs baumelte plötzlich ein kleines Körbchen vom Balkon über uns herunter. Unsere neuen Nachbarn hatten uns – sozusagen per Flaschenzug – Marmelade, ein Fläschchen Sekt und Schokolade geschickt, um uns – wenigstens auf Distanz – willkommen zu heißen. Was für eine liebe Geste. Und das, obwohl wir uns noch gar nicht kannten. Einfach so.

Herzlichkeit, Menschlichkeit und Freundlichkeit sind eben Tugenden, denen selbst eine Pandemie nichts anhaben kann, dachte ich und denke es noch. Vielleicht werden sie sogar stärker und wir wachsen alle wieder ein Stückchen mehr zusammen?

Ich freue mich jedenfalls schon sehr darauf es herauszufinden, meine neue Heimat besser kennenzulernen und vor allem die Menschen, die sie ausmachen. Ob meine vagen Vermutungen wohl der Wahrheit entsprechen? Ich hab’ ein ziemlich gutes Gefühl!

Bis bald auf dem Wochenmarkt, in der Buchhandlung, im Café und beim neuen Lieblingsitaliener,

 

Ihre Jara Tiedemann