Kirche

2. Mai 2022

Das Unvorstellbare ist eingetroffen

Pastor Fahrs Worte

Corona ist noch nicht vorbei und schon die nächste Katastrophe: Krieg in Europa. Das Unvorstellbare ist eingetroffen, weil ein größenwahnsinniger Diktator mit sehr speziellen Vorstellungen von Geschichte Soldaten in den Tod schickt, Tod und Verderben über ein Nachbarland bringt und vor den fürchterlichsten Kriegsverbrechen nicht zurückschreckt – weil er einem Land die Existenzberechtigung abspricht. Er will die (russische) Welt angeblich von Nazi-Umtrieben befreien – mit Nazi-Methoden. Und lügt der Weltgemeinschaft dreist ins Gesicht.

Und wir? Was machen wir? Was können wir tun? Die Welle der Hilfsbereitschaft ist enorm, die Bemühungen, auch von privat, denen, die dem Krieg entronnen sind, zu helfen, sind gewaltig. Hoffen wir, dass diese Hilfsbereitschaft nicht abebbt oder gar umschlägt, wie es 2015 der Fall war. Und hoffen wir, dass diejenigen, die aus anderen geschundenen Ländern fliehen mussten, bei uns nicht auf taube Ohren stoßen. Manche fragen sich: Dazu müsste doch die Kirche mal was sagen! Nun, bisweilen sind das dieselben, die es überhaupt nicht mögen, wenn sich die Kirche (wer immer das ist) zu vielen gesellschaftlichen Themen äußert. Sei’s drum.

Was also tun? Sollen wir zum Verteidigungskrieg gegen den schrecklichen Angriff Russlands aufrufen? Warum? Es ist doch alles schon im Gange. Sollen wir Russland aufrufen, das Morden einzustellen? Wird hundertfach getan und bringt leider nichts.

Viele sagen jetzt: Reden ist besser als schießen. Das stimmt immer. Aber wenn der andere schon angefangen hat zu schießen? Sollen wir jetzt die Ukraine auffordern, „die andere Wange auch noch hinzuhalten“? Diese Aufforderung bezieht sich jedoch nur auf persönliche Begegnungen, nicht auf Situationen, in denen Christenmenschen auch für andere verantwortlich sind, wie jetzt die ukrainische Regierung. Und ich glaube fest daran, dass es Christen auch erlaubt ist, in Extremsituationen „nein“ zu sagen. Und das auch mit aller Entschiedenheit.

Natürlich ist es eine Sünde, russische Soldaten zu töten. Und es nicht zu tun, könnte unter Umständen unterlassene Hilfeleistung sein. Manchmal müssen sich auch Christinnen und Christen zwischen zwei Sünden, sozusagen zwischen Pest und Cholera, entscheiden.

Insgesamt hoffe ich, dass es Putin nicht gelingt, Russland aus dem Chor der europäischen Kulturnationen hinauszukatapultieren. Aber je länger seine widerwärtige Informationsunterdrückung und sein diktatorisches Regime noch währt, desto wahrscheinlicher ist, dass es noch lange schwierig bleibt. Und offensichtlich fallen auch hierzulande viele auf diese verlogene Propaganda herein.

Das einzige, was wir tun können, ist helfen, beten, spenden – und nicht nur an den privaten Geldbeutel denken, sondern Solidarität mit den Angegriffenen zeigen.

Das ist nicht viel, aber mehr als nichts.

Wir hoffen sehr, dass diejenigen, die jetzt gezwungen sind, in der Fremde zu leben, trotzdem ein wenig Ostern feiern konnten – und dass eines Tages der Frieden in die Ukraine zurückkehrt und vielleicht sogar Russland demokratisch und frei wird. Wir würden es den Menschen dort von Herzen gönnen.

Peter Fahr