Rundblick

29. Juni 2021

DIY-Sushi und Puzzle-Marathon

Im Lockdown entdeckte so manch einer ganz neue Leidenschaften

Können Sie sich noch daran erinnern, was Sie während des ersten Lockdowns getan haben? Ich weiß noch, dass ich kurzerhand zum Feudel gegriffen und die ganze Bude geputzt habe. Und zwar so richtig. Ich meine mit Möbel wegschieben und auch dahinter feudeln.

Als klar wurde, dass Corona uns wohl leider ein bisschen länger begleiten würde und im Zuge dessen plötzlich auch Fitnessstudios zur Sperrzone erklärt wurden, war meine nächste Mission – und auch die vieler anderer: Home-Work­out. Also Yogamatte zwischen den Pflanzen ausgerollt und ab ging die Post. Schließlich sollten die Jeans ja auch nach dem Lockdown noch passen. Dafür wurde übrigens auch extra ein Rudergerät angeschafft. Ein richtig schickes. Vergangene Woche haben wir es verkauft. So viel dazu.

Natürlich verfolgte ich auf Social Media auch, was Freunde, Arbeitskollegen und Nachbarn so trie-ben. Eigentlich blieb einem auch keine andere Wahl. Gefühlt wurde schließlich mehr denn je geteilt und gepostet. Auf Instagram, Facebook, im WhatsApp-Status. Ungefragt. Jeder hatte plötzlich neue Hobbys, entdeckte ungeahnte Fähigkeiten und posaunte es in die „world wide-Welt“ hinaus.

Ein Bekannter präsentierte mir plötzlich, dass er Makramee-Tischuntersetzer geflochten hatte. Das sei richtig meditativ, meinte er. Womit er recht hatte. Ich hab’s auch ausprobiert. Kurz nachdem ich mir ein Pilzbuch vom NABU besorgt hatte, fest entschlossen, in der nächsten Saison unter die Sammler zu gehen und eine feine Champignon-Pfanne aus eigener Ausbeute zu brutzeln. Das war ein schönes Buch. Ich weiß nur leider nicht mehr, wo ich’s hingelegt habe …

Und dann war da ja plötzlich noch die Puzzle-Fraktion. Alle bastelten plötzlich wie wild irgendwelche Bilder auf ihren Küchentischen zusammen; je mehr Teile, desto besser. Ich bin kein Fan davon. Eine Freundin von mir hatte es dafür umso mehr gepackt und sich über Ebay wöchentlich gebrauchte Puzzles gekauft, die sie später wieder verkaufte und dafür ein neues besorgte. Clever und nachhaltig.

Und ach ja: Neben Sport-Freaks, Putz-Teufeln und Gesellschaftsspiel-Fans sind wir letztlich doch auch alle ein wenig zu kleinen Profi-Heimwerkern geworden. Sich’s zu Hause richtig schön machen, lautete das Motto. Der Balkon wurde zur kleinen mallorquinischen Wohlfühloase aufgehübscht – und auch bei sieben Grad und Sprühregen genutzt. Dann eben mit Kapuze und Schirm. Hauptsache, man war mal ein paar Minuten an der frischen Luft.

Währenddessen war und ist mein Instagram-Feed voll mit plötzlichen Hobbyköchen und -bäckern. Selbstgemachtes Su­shi, Bananenbrot mit Schoko-Chips, Zimtschnecken. Alles, was in der Küche gezaubert wurde, wurde präsentiert. Noch mehr als sonst. Der Sonntag wurde außerdem zum inoffiziellen Pan­cake-Sonntag ernannt. Man könnte auch Pfannkuchen-Tag sagen, das klingt aber nun mal nicht so fancy.

Und danach? Ging’s ab in die Natur. Endlich mal wieder schön spazieren gehen. Ja, ja, dieses Spaziergehen. Nach 1,5 Jahren kann ich’s nicht mehr hören und weigere mich schlichtweg.

Stattdessen gehöre ich zur Jogger- und Kreativ-Fraktion. Sticken, zeichnen, ein bisschen rumbasteln. Das waren und sind meine kleinen Corona-Hobbys. Und im Gärtnern habe ich mich auch versucht. Aber als ich meiner Großmutter stolz erzählte, dass ich auch Dahlien gepflanzt habe, bröckelte mein Stolz. Scheinbar gibt es bei den Knollen eine richtige und eine falsche Seite. Ich glaube aber fest daran, dass die Natur schon ihren Weg finden wird.

Wenn eines sicher ist, dann aber wohl das: Die Pandemie hat nicht nur Leid und Sorgen mit sich gebracht, sondern eben auch Gutes. Ungeahnte Fähigkeiten, neue Leidenschaften und ­Hobbys und letztlich die Kunst, das Glück in den kleinen Dingen zu finden. Das ist doch was, wenn man versuchen möchte, das Ganze mal ein wenig positiv zu sehen.

Und wissen Sie was? Ich kann es kaum erwarten, einen feinen Grillabend mit all meinen Freunden zu verbringen, mein Weinglas auf einem der Makramee-Tischuntersetzer meines Bekannten abzustellen, zum Nachtisch Bananenbrot mit Schoko-Chips zu essen und ja, vielleicht im Anschluss sogar noch eine Runde spazieren zu gehen.

Ihre Jara Tiedemann

Jara Tiedemann ist freie Autorin, Fotografin und freie Tauf- & Traurednerin. Vergangenen Herbst zog sie aus ihrer Heimat Cuxhaven nach Ohlstedt und ist mit der Kamera immer auf der Suche nach tollen Ecken für ihre Fotoshootings. Schöne Momente zu schaffen und festzuhalten, ist ihre Leidenschaft. Nicht nur in Fotoform, sondern auch mit ihren Texten. Mehr über Jara Tiedemanns Arbeit erfahren Sie unter www.jaratiedemann.de und www.tiedetext.de.