Rundblick

28. Juni 2021

Waldgespräch mit Hinni Jürjens

Interview mit Duvenstedts heimlichem Bürgermeister

Auf unserem Sofa im Tangstedter Forst nahm dieses Mal Hinni Jürjens Platz und plauderte über sein Engagement im Dorf.

Thomas Staub, Duvenstedter Kreisel:
Moin Hinni, es freut mich, dass Du Dir Zeit für unser etwas ungewöhnliches Waldgespräch genommen hast. Vielleicht sollten wir Dich einmal kurz vorstellen? Wobei, ich glaube die meisten Menschen hier in der Region kennen Dich sowieso.
Hinni, hast Du immer in Duven­stedt gelebt?

Hinni Jürjens: Ich bin vor dem Zweiten Weltkrieg 1936 in Barmbek geboren worden und dort bis 1943 aufgewachsen.
Schon als Junge habe ich mich für das Bauwesen interessiert, begeistert beim Bunkerbau zugesehen und habe mir aus Beton eine Rollbahn gebaut. Mein Vater wurde als Versorger der Truppen im Osten eingezogen, hat unverletzt überlebt und ist unter Beschuss heimgekehrt. 1943 sind wir kurz vor der Ausbombung unserer Wohnung mit Hilfe unseres Onkels und nur mit unserem Bettzeug unter den Armen in unser Wochenendhaus am Sarenweg geflüchtet. Seit 1943 wohne ich in Duvenstedt an der Alster.

Staub:
Was ich ganz toll finde, Du bist zu unserem Waldgespräch nicht alleine gekommen, sondern hast Deinen Oldtimer-Trecker mitgebracht. Möchtest Du uns kurz etwas zu Deiner Treckerleidenschaft erzählen?

Jürjens: Der Bauer Fuchs wurde von einem Bullen schwer verletzt und gab den Betrieb auf. Seinen 1955 gebauten Lanz-Trecker, von dem ich begeistert war, hat mir sein Sohn verkauft. Ferner konnte ich zwei ausgemusterte Kleinbahnanhänger kostenlos erwerben. Ich habe Gummiräder untergebaut, um Ausfahrten damit machen zu können. Und so ziehe ich seit 30 Jahren mit dem Gespann Gesellschaften und Kinder zur Einschulung durch unsere schöne Landschaft.

Zum Waldgespräch kam Hinni Jürjens mit seinem 1955er Lanz – für die Waldbewohner waren An- und Abfahrt kaum zu überhören.

Staub:
Nun könnte man meinen, Hinni Jürjens ist Rentner und genießt das Leben. Aber wie ich erfahren habe, arbeitest Du noch. Stimmt das?

Jürjens: Mein Architektur- und Ingenieurbüro in Duvenstedt habe ich an meine Söhne abgegeben, aber ich berate immer noch Bauherren, für die wir 50 Jahre tätig waren, und mache Wertgutachten für Freunde. Ich habe immer noch Spaß an meinen Tätigkeiten und freue mich über die erfolgreiche Arbeit meiner Söhne.

Staub:
Du hast Duvenstedt nun viele Jahre erlebt, wie siehst Du die Entwicklung unseres „Dorfes“ bzw. Stadtteils?

Jürjens: Seit 1961 hat sich Duvenstedt von einem von Bauern und Handwerkern geprägten Dorf schubweise zu einem ländlichen Stadtteil Hamburgs entwickelt. Die Hauskoppeln haben die Bauern als Bauland verkauft.

Obwohl die zuständigen Baustufenpläne bereits in den 1930er Jahren entwickelt wurden, sie sind teilweise heute noch gültig. Die Stadtplaner hinken der Zeit hinterher. Mein Anliegen war immer, eine entsprechende Infrastruktur für die stark wachsende Bevölkerung aufzubauen.
Mit Hilfe der Vereinigung Duven­stedt e.V. haben wir für Nahversorgung, Schulbauten, Sportstätten und für ein Haus der Jugend mit einem Kulturzentrum erfolgreich gekämpft, ebenso wie für eine vernünftige Verkehrsführung und den Erhalt von Grünflächen.

Da die Stadtplaner 2011 auf unsere Anfrage kein Zukunftskonzept hatten, haben sie uns aufgefordert Vorschläge zu machen. Einige Duvenstedter Bürger schlossen sich zusammen und unterbreiteten Vorschläge, die bisher nicht fruchteten. Wir baten um eine behutsame, angepasste Bebauung unter Berücksichtigung der vorhandenen Grünflächen. Bessere Radwege, beruhigte Verkehrsführung, Ausbau der Schulen und Sportstätten sowie Stärkung der Nahversorgung. Der Baustufenplan und die ergänzenden Bebauungspläne müssen dringend überarbeitet werden, um eine sinnvolle weitere Bebauung zu gewährleisten. Da die Duvenstedter wachsam zusammenhalten, sehe ich weiter eine positive Entwicklung zum Wohle der Bürger.

Staub:
Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Jürjens:  Dass in Frieden und Freiheit die vielfältigen Probleme gelöst werden und sich auch unsere Enkel in Duvenstedt wohlfühlen.

Staub:
Du bist ein Mensch, der sich sehr für die Region eingesetzt hat und immer noch einsetzt. Neuerdings hast Du gemeinsam mit Walter Kramp eine Stiftung für das Max-Kramp-Haus gegründet. Wie kam es dazu?

Jürjens: Ganz bewusst haben die Familien Jürjens und Kramp die Hinni Jürjens Stiftung für Duvenstedt gegründet. Damit wollen wir nachhaltig in die Zukunft investieren und unsere gemeinnützigen Vereine und Institutionen gerade jetzt in der Corona-Krise unterstützen. Wir haben um Spenden gebeten und schon eine erfreuliche Summe erhalten. Zuerst wollen wir dem Kulturzentrum im Max-Kramp-Haus Gelder zukommen lassen, um der Kinder- und Jugendarbeit, dem Musikorchester, dem Amateurtheater, dem Salon und den Sport- und Sprachkursen einen guten Start nach der Krise zu ermöglichen.

Staub:
Wie siehst Du das Max-Kramp-Haus heute und wie ist die Vereinigung, deren erster Vorsitzender Du viele Jahre gewesen bist, bis heute durch die Pandemie gekommen?

Jürjens: Die 1961 gegründete Vereinigung Duven­stedt e. V. wurde von Max Kramp als 1. Vorsitzender geleitet. Nach seinem Tode bin ich in den Vorstand gewählt worden und habe 25 Jahre den Verein geleitet. Die Vereinigung hat das Max-Kramp-Haus auf einem Pachtgrundstück der Stadt gebaut und ist für das Haus verantwortlich. Dem Vorstand gehören jetzt jüngere Mitglieder an. 1. Vorsitzender ist der Duvenstedter Rainer Klemp. Durch viele neue Vorschriften hat es der Verein schwer und wegen Corona sind viele Aktivitäten ausgefallen.
Doch die Zeit wurde genutzt, um das Haus vor allem im Brandschutzbereich auf den neuesten Stand zu bringen. Der Bezirk Wandsbek hat dabei finanziell Unterstützung geleistet. Die Vereinigung Duvenstedt wird die Krise auch mit Hilfe der Bürger gut überstehen.

Staub:
Woher stammt eigentlich Dein Spitzname „der heimliche Bürgermeister“, den ich übrigens sehr zutreffend finde?

Jürjens: Der zuständige Bürgermeister im Rathaus ist weit weg. Olaf Scholz hatte uns 2011 besucht und alles Gute gewünscht. Ich klopfte ihm auf die Schulter und erklärte unsere Arbeit. Damit fühlte ich mich mitverantwortlich für die Entwicklung des Dorfes und kämpfe weiter für Duvenstedt als aktiver Bürger – auch ohne „echter“ Bürgermeister zu sein.

Staub:
Ich weiß gar nicht, wo genau Du überall tätig bist, aber ich weiß, dass Du mit dem Amateurtheater immer noch auf der Bühne stehst. Wie lange bist Du aktiv dabei und kommt bald etwas Neues von Euch?

Jürjens: Als Beiratsmitglied bin ich noch in der Vereinigung Duvenstedt tätig. Im Amateurtheater stehe ich als Schauspieler seit 1969 auf der Bühne. Wie lange noch, wird sich zeigen, da ich jetzt 85 Jahre alt geworden bin. Sobald es nach der Krise möglich ist, möchte die Theatergruppe wieder proben, um neue Stücke aufzuführen.

Staub:
Du hast viel erlebt in Deinem Leben. Gern höre ich Deinen Geschichten zu, wobei Du auch „Käptain Blaubär“ Konkurrenz machen könntest.

Jürjens: Durch meine Seefahrtszeit, den Segelsport, meine Trecker-Touren und meine Tätigkeit als Zimmermann und Architekt habe ich schon viel erlebt.

Am liebsten schreibe ich über meine Erlebnisse auf Plattdeutsch, wie die Kreisel-Leser wissen. Meinen Spitznamen „Hinni“ habe ich übrigens von meinem Onkel Hinni, der uns bei der Ausbombung 1943 das Leben rettete.

Ganz wichtig ist mir zu sagen, dass ich seit 59 Jahren glücklich verheiratet bin und meine Frau Heidi immer alles mitgetragen hat.

Staub:
Hinni, vielen Dank für das tolle Gespräch. Wir haben beide viel gelacht. Ich wünsche Dir noch viele lustige Jahre in Duvenstedt und viel Erfolg mit allem, was Du noch vor hast.

Das Interview führte Thomas Staub.