Der Grundsteuer-Tsunami
Kurz § Knapp
Der Dorfpostbote hat gerade sehr viel zu tun mit einer gigantischen Papierwelle – die Grundsteuerbescheide überschwappen unsere Region und hinterlassen traumatisierte Eigentümer.
Dabei ist es jetzt in den meisten Fällen schon zu spät, etwas Grundlegendes zu tun. Was die Wertfeststellungen angeht, hätte bereits gegen die Grundlagenbescheide zur Grundsteuer Einspruch eingelegt werden müssen, wenn dort bereits Fehler passiert sind. Die Grundlagenbescheide sind aber in der Regel schon bis zu zwei Jahre alt und dementsprechend ist die Einspruchsfrist bereits abgelaufen.
Lange Zeit hat man zu den Grundsteuerbescheiden nichts gehört, weil bis heute auch die Finanzämter mit der Bewältigung dieser Mammut-Aufgabe vollkommen überlastet sind. Nun ist es aber so weit – und das geballt. Auch wenn es nur die erste Welle des Tsunamis ist.
Dabei ist der erste Zahlungstermin, nämlich der 15. Februar bereits abgelaufen, sodass dieser Termin überwiegend auf den 30. April gelegt worden ist, damit niemand die Frist versäumt „hat“. Danach geht es aber turnusmäßig weiter, nämlich mit dem 15. Mai, 15. August und 15. November jeden Jahres. Und Achtung: Das gilt automatisch auch für die Folgejahre, bis ein neuer Bescheid ergeht!
Dass im Wort Grundsteuer das Wort „teuer“ steckt, bemerken viele in Duvenstedt, Ohlstedt, Lemsahl-Mellingstedt, Bergstedt und Umgebung erst jetzt. Die Grundsteuer hat sich hier in der Regel verdoppelt. Klar gibt es auch die Extremfälle, bei denen sich der Wert verzehnfacht hat, weil etwa 40 Jahre lang ein unbebautes Grundstück besteuert worden ist, obwohl seit 35 Jahren ein Gebäude darauf steht. Das muss ich aber sicherlich nicht weiter kommentieren.
Es gibt natürlich aber auch die Fälle, in denen Wohn- oder Nutzflächen falsch erklärt worden sind oder vom Finanzamt falsch übertragen worden sind und dadurch im Grundlagenbescheid fehlerhaft auftauchen. Hier geht es aber um Fehler, die nichts mit der Verfassung zu tun haben und insofern nicht höchstrichterlich entschieden werden müssen, sondern im einfachen Einspruchsverfahren gegen den Grundlagenbescheid hätten geklärt und korrigiert werden müssen! Und nicht durch Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid!
Das mit der Verfassungsmäßigkeit ist im Übrigen immer wieder ein gern nachgefragtes Thema. Fast so, als würden wir in diesem Moment das Rad neu erfinden und die Grundsteuererhöhung rückgängig machen können. Die damalige Regierung hat für die Grundsteuer ganz klar gesagt, dass das Aufkommen in Deutschland gleichbleiben wird. Und wenn sich in Duvenstedt nun jemand darüber ärgert, das Doppelte als bisher zahlen zu müssen, dann werden sich dadurch aber irgendwo ganz tief im Osten Deutschlands womöglich acht Steuerpflichtige darüber freuen können, dass sie jetzt nur noch die Hälfte gegenüber der bisherigen Grundsteuer zahlen – vielleicht ist diese Art des Aufbaus Ost auch ein kleiner Trost für uns.
Der Verfassungsrechtler Professor Gregor Kirchhof vertritt die Auffassung, dass die Modelle von Hamburg, Niedersachsen und Hessen geradezu vorbildlich seien. Und meiner Meinung nach, selbst wenn nun ein Verfahren dazu führt, das in ein paar Jahren das Grundsteuerrecht als nicht verfassungsgemäß erklärt wird, müssen wir doch ehrlicherweise davon ausgehen, dass das nicht bedeuten wird, dass wir keine Grundsteuer bezahlen werden müssen.
Gern von mir herangezogenes Beispiel ist hierzu die damalige Verfassungswidrigkeit der Erbschafts-/Schenkungsteuer, zu der das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, dass diese zwar verfassungswidrig war, der Gesetzgeber aber noch einige Zeit zur Nachbesserung hatte und diese deshalb so in Kraft blieb, wie sie war. Es tut mir insofern leid – ich bin eben Realist und glaube nicht an ein Grundsteuer-Wunder!
Was können Sie also an dieser Stelle, an der Sie den Grundsteuerbescheid frisch in Händen halten, überhaupt noch tun? Zuerst müssen Sie natürlich prüfen, ob die Werte im Grundsteuerbescheid dem entsprechen, was im Grundlagenbescheid aufgeführt ist. Wenn dem nicht so ist, dann können Sie gegen den Grundsteuerbescheid begründeten Einspruch einlegen.
Stimmen die Werte aber, dann können Sie in Hamburg (und natürlich auch in anderen Bundesländern – ich gehe aber nachfolgend auf die speziellen Hamburger Regeln ein) in bestimmten Fällen eine Härtefallregelung in Anspruch nehmen und einen Erlassantrag stellen. Dadurch vermindert sich die Grundsteuer anteilig oder entfällt gänzlich.
Das ist aber auch kein Selbstgänger und ist selbstverständlich dezidiert zu begründen. Auch wenn Sie für das Hamburger Modell mit dem Äquivalenzprinzip kein Wertgutachten vorlegen können, können Sie aber gutachterlich eine Äquivalenzstörung feststellen lassen.
Dies kommt in folgenden Fällen in Frage:
1. Eingeschränkte Erreichbarkeit durch die Lage
Zum Beispiel ein Einfamilienhaus ohne Anschluss an das Straßennetz in einem Naturschutzgebiet
2. Überschreiten der Gesamtnutzungsdauer
Ein Gebäude ist sehr alt und es hat keine Kernsanierung stattgefunden.
3. Übergröße
Hat nichts mit Konfektionsgrößen zu tun. Es geht kurz gesagt um sehr große Gebäude, welche aufgrund eines niedrigen Standards nicht vollständig genutzt werden können.
4. Nutzungseinschränkung
Vom Sinn her ähnlich wie 3., bezieht sich aber auf behördliche Anordnungen – zum Beispiel behördlich angeordnetes Betretungsverbot von 80 Prozent einer Lagerhalle, wodurch nur noch 20 Prozent genutzt werden können.
5. Sturmfluten
Kann ein Gebäude durch Sturmfluten nur an 182 Tagen von 364 Tagen genutzt werden, kann die Grundsteuer um 50 Prozent reduziert werden. Kommt in Duvenstedt/Ohlstedt statistisch allerdings eher selten vor.
6. Privater Hochwasserschutz im hochwassergefährdeten Tidegebiet der Elbe
Selbstredend und für uns hier irrelevant.
7. Unorganischer Aufbau
Klingt erst einmal total gefährlich, bedeutet aber lediglich, dass die vorhandene Lagerinfrastruktur mit einem „Normalbetrieb“ zu vergleichen ist und bei einem Minderergebnis ein Antrag gestellt werden kann.
Bitte meinen Eingangssatz nicht vergessen: Es muss sich um einen dezidiert begründbaren Härtefall handeln! Der Antrag auf Erlass für das Jahr 2025 ist bis zum 31.3.2026 zu stellen. Bis dahin bleibt also noch ein wenig Zeit, sein Eigentum auf Härtefälle zu prüfen.
Sollte nichts von dem bereits Geschriebenen in Frage kommen, es also keine sachlichen Fehler in Erklärung oder Bescheid geben (eine hohe Grundsteuer als solches ist kein Fehler!) und kein Härtefall bestehen, dann bleibt für mäßig Situierte als Notnagel für die Grundsteuererhöhung noch der Antrag auf Wohngeld. Hier hat sich die Stadt Hamburg im Rahmen der Grundsteuererhöhung zu einer wohlwollenden Prüfung bereiterklärt.
Eine Krux im System ist aus meiner Sicht für Mieter, dass es sich bei der Grundsteuer um umlagefähige Nebenkosten handelt, Bescheidempfänger und somit Einspruchsberechtigter aber einzig der Vermieter als Eigentümer ist – so ist bei Fehlern Streit vorprogrammiert.
Sascha Spiegel