Kultur & Unterhaltung

1. März 2021

Walter Pries – Familienmensch, Macher, Hanseat.

Ein Nachruf

Das Orchester Duvenstedt trauert um seinen ehemaligen Orchesterleiter Walter Pries, der am 27. Januar im Alter von 86 Jahren verstarb.

Als Walter Pries 1973 die Leitung des Jugendspielmannszuges Duvenstedt übernahm, war nicht absehbar, dass sich dieses Engagement über 18 Jahre erstrecken würde. Denn er übernahm nicht bloß die Funktion des Orchesterleiters, sondern er war mit Leib und Seele dabei, er engagierte sich im besten Sinne des Wortes: sich bekennend für etwas einsetzen, sich binden.

Zusammen mit seiner Frau Hannelore, die ihm dafür den Rücken freihielt, und später mit dem Ehepaar Wulff hatte sich bald ein Leitungsteam etabliert, das seine Wirkung gemeinsam entfaltete.

Walter Pries führte die jugendlichen Musiker gleichsam mit väterlicher Strenge und im familiären Gedanken. Man konnte sicher sein, dass man zuverlässig zum Auftritt kam, zur Not auch mal mit sieben Leuten
und deren Instrumenten in Walter Pries‘ Auto. Ebenso musste niemand nach einem Auftritt vergeblich auf seine Abholung warten: Er stellte sicher, dass jeder wieder nach Hause kam, selbst wenn er dafür mehrere Touren oder Umwege fahren musste. Die Orchestereltern wussten bald: Ihre Kinder waren in diesem Orchester bestens aufgehoben und in guter Obhut.

Aber Walter Pries war noch mehr. Er war in Personalunion Aufpasser, Ansprechpartner und Kümmerer für Musiker, Eltern und Gäste bei Auftritten, Feiern oder Übungsabenden. Während der Proben saß er im „Glaskasten“ im Eingangsbereich des Max-Kramp-Hauses, hatte ein Auge auf alles und jeden und war präsent. Nach der Probe stand er stets am Ausgang, sammelte den obligatorischen Orchestergroschen in unsere Spendentrommel ein und verabschiedete jeden Einzelnen mit einem persönlichen Gruß.

Darüber hinaus war er auch Planer und Reiseleiter für zahlreiche Orchesterreisen ins In- und Ausland. Sein in dieser Hinsicht größtes Abenteuer war sicherlich 1989 die Reise in die USA nach Texas, wohin zuvor eine Orchesterfamilie gezogen war.

Sämtlichen Herausforderungen der Reisevorbereitungen inklusive Flugsuche, Ticketbuchungen, Reisekostenplanungen und -abrechnungen sowie Zoll- und Einreiseerklärungen stellte er sich erfolgreich. Die damaligen Kommunikationsmittel waren das Telefon, mit dem die knisternden Gespräche nach Übersee nicht immer einfach waren, und das Faxgerät (glücklich war, wer eines hatte!). Dennoch konnte eine Reise auf die Beine gestellt werden, die durchweg glücklich und fast planmäßig verlief und deren Anek­doten heute noch kursieren. War auch die englische Sprache nicht sein Steckenpferd, so glich er den fehlenden Wortschatz stets mit Charme und Humor aus.

Mehrere musikalische Reisen nach Südtirol, Großbritannien, einwöchige Ausbildungsreisen während der Herbstferien in den Harz sowie den über 15 Jahre gepflegten musikalischen Austausch mit der Blaskapelle Scholz aus Geroda (Unterfranken) mit regelmäßigen, gegenseitigen Besuchen organisierte er ebenfalls. Alles Unterfangen, deren erfolgreiche Durchführung mit einer Busladung Teenager keine im klassischen Sinne einfache Aufgabe ist.

Ebenso stellte er ein ergiebiges Stiftungsfest zur Finanzierung der In­strumentenausstattung auf die Beine, wie er auch den Umbau vom Spielmannszug zum Blasorchester plante und durchführte, sowie vier Dirigentenwechsel, die ebenfalls in seine Zeit fielen.

Im Gespräch mit zahlreichen, heute noch aktiven Orchestermitgliedern, die schon seit Walter Pries‘ Zeiten dabei sind, fallen immer wieder dieselben Worte: Aufrichtig, verlässlich, geradlinig, humorvoll. Hanseatische Adjektive allesamt.
Seine Ansprache an die damals noch zumeist jugendlichen Musiker war stets von Respekt und Wohlwollen geprägt, direkt und treffend in der Wortwahl. Es sind Fälle bekannt, in denen er Musiker, die nach einer Probe ihre Sachen packen und kündigen wollten, zu sich gerufen, sich ihre Sorgen und Nöte angehört und sie im weiteren Gespräch zum Umkehren und Bleiben überzeugt hat. Der Verfasser dieser Zeilen hat selbst einmal zu einem solchen erfolgreichen Gespräch bei ihm gesessen…

Walter Pries hat seine „Orchesterfamilie“ stets zusammengehalten und gehütet.
Er war nicht nur eine natürliche Re­spektsperson, sondern auch durch und durch Familienmensch, der auch nach seinem Ausscheiden dem Orchester stets verbunden blieb. Nicht nur, weil seine Kinder und einige Enkelkinder, deren Gesellschaft er bis zuletzt stets genoss, dort ebenfalls musikalisch tätig waren oder noch sind. Er war einfach ein großer Fan der Blasmusik. So traf man ihn und seine Frau regelmäßig bei unseren zahlreichen Konzerten, am Kreisel beim Aufstellen des Maibaum­s und beim Lichtermeer im November.

Da war es natürlich Ehrensache, dass ihm das Orchester einen herzlichen musikalischen Gruß zu seinem „80. + 80. = 160. Geburtstag“ brachte, den er gemeinsam mit seiner Hannelore gebührend feierte. Gerne hätten wir im vergangenen Mai mit unserer Musik auch die Diamantene Hochzeitsfeier bereichert, die jedoch coronabedingt ausfallen musste.

Aus selbem Grund fand die Beisetzung von Walter Pries am 11. Februar nur in kleinstem Rahmen statt und seine Lieblingsstücke „Happy Heart“ und „Morgens um sieben“ von James Last kamen zwar von unserem Orchester, aber nur vom Band.

Walter Pries war ein Orchesterleiter mit großem Herzen und klarer Kante, dessen Wirken das Orchester Duvenstedt bis heute prägt. In der Reihe der Orchesterleiter gebührt ihm ein prominenter Platz. Ein Platz, wie er ihn in den Herzen „seiner“ Musiker längst gefunden hat. Sie werden ihm ein achtungsvolles, ja liebevolles Gedenken bewahren, wenn mal wieder Anekdoten über „Onkel Walter“ die Runde machen, wie wir ihn in unseren Erzählungen respektvoll anerkennend, aber nur unter der Hand, nennen.

Christian Bauer