Kultur & Unterhaltung

4. Juli 2025

Sprichwörtlich gesprochen  

 Die Welt der Redensarten

Seit Jahrhunderten gehören Sprichwörter fest zu unserem Sprachgebrauch. Sie vermitteln oft mit wenigen Worten überraschende Lebensweisheiten. Doch welche Ursprünge haben diese Redewendungen eigentlich, und welche Geschichten verbergen sich dahinter? In unserer Serie „Sprichwörtlich gesprochen“ gehen wir diesen Fragen nach. In jeder Ausgabe nehmen wir drei bekannte Sprichwörter genauer unter die Lupe – mal mit einem Augenzwinkern, mal mit spannenden historischen Hintergründen, aber immer unterhaltsam erzählt.

„Wer schön sein will, muss leiden“

Bedeutung: Dieses Sprichwort bedeutet, dass äußere Schönheit oft mit Anstrengung, Aufwand oder sogar Schmerzen verbunden ist. Es wird meist ironisch oder mit einem Augenzwinkern verwendet – etwa wenn jemand beim Friseur stundenlang stillhalten muss, beim Epilieren die Zähne zusammenbeißt oder in unbequemen Schuhen läuft.

Herkunft: Die Redensart ist seit dem 18. Jahrhundert belegt und stammt ursprünglich aus dem französischen Sprachraum. Dort hieß es: „Il faut souffrir pour être belle“ – „Man muss leiden, um schön zu sein“.

Im deutschsprachigen Raum wurde der Ausdruck besonders im 19. Jahrhundert populär, als Schönheitsideale und gesellschaftliche Konventionen (z. B. enge Korsetts, steife Kleidung oder aufwändige Frisuren) für Frauen mit viel Mühe und Unbequemlichkeit verbunden waren. Die Aussage wurde dabei fast schon zu einem „Trost“ oder einer Rechtfertigung für unangenehme, aber als notwendig empfundene Prozeduren.

Heute wird das Sprichwort oft mit einem Augenzwinkern gebraucht, um zu kommentieren, wie weit Menschen bereit sind zu gehen – ob aus Eitelkeit, Modebewusstsein oder gesellschaftlichem Druck.

Ein Sprichwort, das zeigt: Schönheit hat ihren Preis – ob früher beim Schnüren des Korsetts oder heute beim Waxing, Botox oder Fitness-Marathon. Und trotzdem: Ein Lächeln steht bekanntlich jedem – ganz ohne Leiden.

„Perlen vor die Säue werfen“

Bedeutung: Mit dem Ausdruck „Perlen vor die Säue werfen“ meint man, dass man etwas Wertvolles oder Kostbares jemandem gibt, der es nicht zu schätzen weiß – oder dass man seine Mühe an jemanden verschwendet, der damit nichts anfangen kann. Es geht also um den falschen Adressaten für etwas Wertvolles.

Herkunft: Die Redewendung geht zurück auf einen biblischen Ursprung, genauer gesagt auf das Neue Testament (Matthäus 7,6):
„Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Säue, damit sie dieselben nicht mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.“ In diesem Bibelvers wird gewarnt, das Wertvolle (symbolisiert durch die Perlen) nicht achtlos oder gedankenlos jenen zu geben, die es weder verstehen noch achten – in diesem Fall die „Säue“, also sinnbildlich Menschen ohne das nötige Urteilsvermögen oder Wertbewusstsein.
Die Redensart hat sich im Sprachgebrauch bis heute erhalten und wird oft dann verwendet, wenn jemand z. B. sein Wissen, seine Kunst, seine Meinung oder hochwertige Arbeit auf taube Ohren stößt oder nicht die angemessene Wertschätzung erfährt.
Ein uraltes Sprichwort mit geistlichem Ursprung – und doch erstaunlich modern in seiner Aussage: Wertschätzung ist nicht nur eine Frage des Gebens, sondern auch des richtigen Empfängers.

„Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“

Bedeutung: Dieses Sprichwort beschreibt Menschen, die sich aus dem Staub machen, sobald es kritisch wird – besonders wenn sie zuvor Teil eines Systems, Unternehmens oder Projekts waren. Es bezeichnet also ein opportunistisches Verhalten, bei dem sich jemand rechtzeitig in Sicherheit bringt, um selbst unbeschadet davonzukommen, während andere mit den Folgen zurückbleiben.

Herkunft: Der Ursprung des Sprichworts liegt in der Schifffahrt und reicht bis ins Mittelalter zurück. Damals glaubte man, dass Ratten – die auf nahezu jedem Schiff als blinde Passagiere mitfuhren – in­stinktiv das Schiff verlassen, sobald es im Begriff war zu sinken. Da sie als Tiere galten, die Gefahr frühzeitig spüren, wurde ihr Verhalten als eine Art untrügliches Warnsignal gedeutet.
Im übertragenen Sinn wurde daraus ein Bild für Menschen, die sich bei ersten Anzeichen von Schwierigkeiten oder Verantwortung aus der Affäre ziehen. Besonders häufig findet man die Redewendung im politischen oder wirtschaftlichen Kontext – etwa wenn Manager oder Politiker bei drohendem Misserfolg plötzlich zurücktreten oder das Weite suchen.

Ein eindrückliches Bild, das sich bis heute bewährt: Wer in der Not zuerst geht, zeigt oft, worum es ihm wirklich ging – nämlich um den eigenen Vorteil.

Thomas Staub